Ernährung & Gesundheit

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13.09.2022

Berührt und massiert werden

Berührt und massiert werden

Neue Erkenntnisse zum Stellenwert von Wellness-Massagen?

Wellness boomt seit Jahren. In den Spa-Bereichen der Hotels werden die verschiedensten Massagen mit den unterschiedlichsten Ingredienzien oder Techniken angeboten. In Gesundheitseinrichtungen gibt es ebenfalls zum Wohlbefinden der Kunden nicht verschreibungspflichtige Massagen.

Die Tastsinnesleistung ist in einer Wellnessmassage dabei genauso gefragt und gefordert wie in der Physiotherapie und Massagepraxis, um Kunden zufriedenzustellen. Prof. Winkelmann hat ein mobiles Haptiklabor mitentwickelt, das nun aus der Forschung den Weg in die Praxis findet, damit der Tastsinn geschult, trainiert und verbessert werden kann. TT-DIGI unterhielt sich mit der Wissenschaftlerin, die zur Haptik forscht, lehrt und publiziert.

TT-DIGI: Kann man die Massage im Wellnessbereich im Zusammenhang mit dem menschlichen Bedürfnis nach Nähe und Berührtwerden sehen?

Prof. Dr. Claudia Winkelmann: Das ist eine sehr interessante Frage zum Einstieg. In der Tat, das menschliche Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe – auch aus Schutzgründen und archaisch aus Überlebensgründen – kommt durchaus zum Ausdruck, indem es auch Rituale und Traditionen des Berührens gibt. So zum Beispiel das Begrüßungs- und Abschiedsritual unter Jugendlichen oder bei Familientreffen oder die Umarmung, um Mitgefühl, Beileid und Beistand in einer Trauerphase zu spenden oder das Schulterklopfen bis hin zum Hochheben und Umherwirbeln bei großer Freude nach einem Sieg.

Was passiert in diesem Moment bei den Menschen?

Diese Formen körperlicher Nähe bzw. die damit verbundene Berührung führen über physiologische Prozesse unter anderem zur Ausschüttung von Oxytocin. Dieser auch als Kuschelhormon bekannte Stoff ist quasi der Kit in Teams, Gruppen und Paaren. Allerdings gilt auch hier, dass es individuelle Unterschiede hinsichtlich des Bedürfnisses nach Berührung gibt. Und es ist auch so, dass die Bewertung der Situation eine Rolle spielt.

Was lösen Wellness-Massagen noch im Körper aus?

Neben der Ausschüttung von Oxytocin wird durch die manuelle Intervention auch die Verschieblichkeit der Gewebe erhöht. Die mechanischen Reize, thermischen Reize und bestimmte Zusatzstoffe wie Öle und Lotion können die Schmerzwahrnehmung beeinflussen. Ebenso wird die Durchblutung angeregt und damit auch die Versorgung sowie der Stoffwechsel der Gewebe. Außerdem kommt es zu Drainagewirkungen und dadurch wieder zu größeren Gelenkbewegungen. Unter Umständen fühlen sich die Klienten nach der Wellness-Massage daher ganz so, wie es der Name verspricht: einfach wohler.

Lindern Massagen Schmerzen aufgrund einer Muskelentspannung, der Wärme oder aufgrund der Berührung oder unterstützen sich die Maßnahmen wechselseitig?

In jedem Fall ist es immer eine Anzahl verschiedener Reize, auf die eine Reaktion erfolgt. Das bloße Abstellen auf die Berührung greift zu kurz. Auch die Umgebung, die Raumgestaltung, die Wärme, der Raumduft, die Personen im Wartebereich und so weiter spielen eine Rolle. Wir sind nie losgelöst von der Einheit der bio-psycho-sozialen Befindlichkeiten. So ist auch nachgewiesen, dass es für Männer einen Unterschied macht, ob sie von einem Mann oder einer Frau massiert werden, während dies bei Frauen weniger relevant für das Ergebnis ist. Diese Aspekte sollten unbedingt bei der Planung von Angeboten berücksichtigt werden.

Könnte es so weit kommen, Wellness-Massagen präventiv zu sehen?

Das sind sie nach meinem Wissen zur Wirkungsweise mechanischer und thermischer Reize durchaus heute schon. Man muss sich hier vielleicht die Historie der Entwicklung des „Wellness-Marktes“ anschauen und die Ausgestaltung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung vor Augen führen. Es gibt dahingehend durchaus Unterschiede zur Anwendung solcher Techniken im internationalen Vergleich, denn auch kulturelle Aspekte und Tradition fließen ein.

Kann es dafür einen digitalen Ersatz geben, Stichwort: Kuschelroboter?

Es ist beeindruckend, welche positiven Wirkungen von Hands-on-Techniken, wie sie auch bei WellnessMassagen ausgeführt werden, ausgehen können. Trotz der Technisierung auch in der Gesundheitsversorgung ist die wohltuende Berührung einer Person durch eine andere mit nichts zu ersetzen. Weder Kuschelroboter wie sie in der Altenpflege zum Einsatz kommen noch Vibrations-Pullover, deren Elektroden digital gesteuert werden können, lösen die physiologischen Reaktionen im Körper aus.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Reinhild Karasek

Bild: © Shutterstock.com_139313552


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